Donnerstag, 20. Juli 2017 - 18:00
Donnerstag, 20.07. Wittelsbacher Platz Raum 02.202
18:00 "Unheimliche Animositäten. Postkolonialismus, Queer-Feminismus und Antisemitismus" - Tom David Uhlig
So elaboriert die postkoloniale und queer-feministische Kritik intersektionale Formen der Diskriminierung zusammendenkt und untersucht, so blind scheint sie oftmals gegenüber Antisemitismus in den eigenen Reihen. Das Ressentiment gegen Jüdinnen und Juden kleidet sich hier vielmals in die Feindschaft gegenüber dem Staat Israel beziehungsweise der vermeintlichen Parteinahme für die Palästinenser_innen. Angefangen bei Judith Butlers nunmehr halbherzig revidierter Bezeichnung von Hamas und Hezbollah als Teil einer 'globalen Linken' über den Vorwurf des sogenannten Pinkwashing und Homonationalism zur massenhaften Unterstützung der Boycott-Divestment-Sanctions-Bewegung verweist die Umdeutung israelischer Sicherheitsinteressen in koloniale Aggression möglicherweise auf strukturelles Problem der Bewegung und letztlich eine Leerstelle der Theorie: Antisemitismus wird in postkolonialen und queer-feministischen Zusammenhängen häufig zu einer Spielart des Rassismus, genauer eines 'Othering'-Prozesses verkürzt, wodurch dessen Besonderheit unsichtbar gemacht wird. Diese liegt in seiner psychische Attraktivität für das durch die Krisenstruktur des Kapitalismus geplagte Bewusstsein und dem vermeintlichen Erklärungswert, der Antisemitismus für die Deutung von Konflikten innewohnt. In der postkolonialen oder queer-feministischen Ablehnung von Fremdzuschreibungen, dem Othering, der Positionierung durch andere, finden die Strategien Identitäts- und Repräsentationskritik zueinander. So sinnfällig ihr Wechselspiel auch in der Kritik von Rassismus oder Sexismus scheint, so wenig vermag diese Kritik die Erscheinungsformen modernen Antisemitismus zu fassen, und wendet sich im Falle des antisemitischen Ressentiments sogar unmittelbar gegen jene, die immer noch einer totalen Vernichtungsdrohung ausgesetzt sind, den Jüdinnen und Juden. In meinem Beitrag möchte ich den theoretischen Leerstellen, den blinden Flecken nachgehen, welche es der postkolonialen und queer-feministischen Kritik erschweren, antisemitisches Ressentiment zu erkennen.