Mittwoch, 1. Juni 2022 - 18:00
Anti-Repressions-Demo gegen die Innenministerkonferenz
Keine Macht den Sicherheitsbehörden! Anti-Repressions-Demo gegen die Innenministerkonferenz in Würzburg
1. Juni, 18 Uhr
Bahnhofsvorplatz Würzburg
Vom 1. - 3. Juni 2022 findet in Würzburg die Frühjahrskonferenz der Innenminister*innen und -senator*innen von Bund und Ländern statt. Die letzte Konferenz fand als Sondersitzung am 23. und 24. März 2022 in Brüssel statt. Das Bündnis noIMK Würzburg veranstaltet am 1. Juni um 18 Uhr am Hauptbahnhof Würzburg eine Demonstration gegen Repression unter dem Motto "Keine Macht den Sicherheitsbehörden". Am folgenden Tag wird es eine Demonstration zu Migration und Flucht unter dem Motto #DontForgetAfghanistan geben.
Als Dienstherren der Polizei, des Inlandsgeheimdienstes und von Asylbehörden sind Innenministerien ein zentraler Bestandteil des Repressionsapparates in Deutschland, wobei es keine Rolle spielt, welche Partei die Leitung eines Innenministeriums innehat.
Der Status Quo des kapitalistischen Systems wird gesichert. Freiheitsrechte werden immer weiter eingeschränkt, Überwachung ausgebaut, die Machtposition des Staates gefestigt. Als Legitimation dafür wird eine allgegenwärtige Bedrohungslage mitsamt Platzhaltern wie Terrorismusbekämpfung inszeniert. Dabei trifft die reaktionäre "Law-and-Order" Ideologie der deutschen Innenpolitik und ihrer Behörden besonders BI_PoC, LGBTQIA*, geflüchtete, obdachlose, arme, drogenabhängige und andere marginalisierte Menschen. Genauso steht sie für den Kampf gegen unzufriedene Lohnabhängige, aufbegehrende Jugendliche, Subkulturen und linke Strukturen und Organisierungen. Überall da, wo Widerstand gegen die herrschenden Zustände aufkommt, wo Menschen unbequem werden, wird die Staatsgewalt aktiv. Deshalb gilt: Nein zur Konferenz der Innenminister*innen und Kampf den Sicherheitsbehörden!
Was ist die Innenministerkonferenz?
Die "Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder" wurde 1954 mit dem Ziel eingeführt, die länderübergreifende fachliche Zusammenarbeit auch politisch zu verankern. Auf den Konferenzen werden Beschlüsse zu den Themen Innere Sicherheit, Polizei, Verfassungsschutz, Ausländer- und Asylrecht, aber auch zu kommunalen Angelegenheiten und Fragen der Verwaltungsorganisation sowie des allgemeinen Dienstrechts gefasst. Neben von Bund und Ländern eingereichten Themen bereiten die sechs ständigen Arbeitskreise weitere Tagesordnungspunkte vor. Beteiligt an der Vorbereitung in diesen Arbeitskreisen sind neben den Abteilungsleiter*innen der Innenressorts in zwei Fällen auch die Präsidenten des Bundeskriminalamts und der Deutschen Hochschule der Polizei (AK II Innere Sicherheit), sowie der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (AK IV Verfassungsschutz). Die Tagesordnungen der Innenministerkonferenzen werden teilweise in einer vorab veröffentlichten Pressemitteilung bekannt gegeben. Auch werden die getroffenen Beschlüsse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, sofern dagegen kein Widerspruch eingelegt wird. Auf den Innenministerkonferenzen werden keine neuen Gesetze beschlossen. Stattdessen sind die Beschlüsse (der Ausdruck eines politischen Willens also) eine Erklärung zur gemeinsamen Fahrtrichtung, die sich auf die einzelnen Innenministerien auswirkt. Zentrale Themen der 217. Innenministerkonferenz in Würzburg werden laut Joachim Herrmann der Katastrophenschutz, die Sicherheit im digitalen Raum und der Schutz von Demokratie und Verfassung sein.
Warum demonstrieren wir dagegen?
Die Innenminister*innen und -senator*innen haben als Teil der jeweiligen Regierung direkten Einfluss auf die Entwicklung von neuen Gesetzen und Gesetzesänderungen der Innenpolitik. Die Innenministerien von Bund und Ländern sind neben anderen Aufgabenbereichen, beispielsweise Einwanderungs- und Asylpolitik, zuständig für Fragen der sog. "Inneren Sicherheit".
"Innere Sicherheit" ist das Credo und der Trumpf in der Innenpolitik, der Forderungen nach Grund- und Freiheitsrechten versucht zum Schweigen zu bringen. Sie dient als Hauptlegitimation für den Auf- und Ausbau eines massiven Repressionssystems. Statt der Stärkung von Freiheitsrechten und dem Abbau von sozialer Ungleichheit, werden immer neue Gesetze erfunden und Befugnisse von Sicherheitsbehörden erweitert. Die Logik der "Law-and-Order" Politik ist ungebrochen. Wer nicht ins Bild der sauberen, konformen, fleißigen, weißen deutschen Gesellschaft passt, macht schnell Bekanntschaft mit der Staatsgewalt.
Neue Überwachungs- und Unterdrückungsmechanismen werden häufig an Fussballfanszenen getestet, bevor sie auch in anderen Bereichen der Aufstandsbekämpfung, wie antifaschistischem Protest Anwendung finden. Für harte Maßnahmen gegen diese "gewaltbereiten Chaoten" findet sich dann eben doch der Rückhalt in der obrigkeitshörigen Zivilgesellschaft. Deshalb demonstrierten im Dezember in Nordrheinwestfalen vorwiegend antifaschistische, linke, klimaaktivistische Gruppen und Fanszenen von Fussballvereinen gegen ein neues Versammlungsgesetz, das Gegenproteste und die anonyme Teilnahme an Versammlungen erschwert, staatsanwaltliches Vorgehen gegen Anmelder*innen von Demonstrationen vereinfacht ein "Militanzverbot" ausspricht und sich mit dem Verbot von Versammlungen auf Autobahnen, Grubenrandstraßen und Bahngleisen gezielt gegen Klimaaktivismus richtet. Zuvor schon, Ende 2018, wurde unter dem Vorwand der Terrorismusabwehr eine Verschärfung des nordrheinwestfälischen Polizeigesetzes, verabschiedet, das bis zu 28 Tage Gewahrsam erlaubt ohne vorangegangene Straftat. Es zeigte sich, dass bis 2021 null rechte, lediglich sechs religiös motivierte Gefährder*innen, aber dafür 74 Menschen im Zusammenhang mit Klimaprotesten von diesem verlängerten Gewahrsam betroffen waren.
CN sexualisierte Gewalt, Übergriffigkeit für den folgenden Absatz
Im Gewahrsam, aber auch bei Kontrollen o.ä. ist man dem Willen der verantwortlichen Polizist*innen ausgeliefert. So kommt es regelmäßig, besonders bei flinta*, zu Erniedrigungen und Grenzüberschreitungen, beginnend bei Misgendern und abfälligen Witzen, bis hin zu sexualisierter Polizeigewalt. Dies betrifft natürlich nicht nur, aber vor allem flinta*, da diese im Patriarchat sexualisiert werden und Männlichkeit sich durch Erniedrigung des "Anderen" konstituiert. Menschen, die erfahrene sexualisierte Gewalt anzeigen wollen, treffen viel zu oft auf Unglauben und Herabwürdigung. Ihre Erfahrungen werden lächerlich gemacht. Das Phänomen eher einem Mann zu glauben, dem Gewalt vorgeworfen wird, als der, ihn dieser anklagenden, Frau und für ihn Sympathie und Mitleid zu empfinden (Himpathy), ist als essenzieller Bestandteil von Rape Culture in Sicherheitsbehörden mindestens so verbreitet wie in der Gesellschaft. Bei übergriffigen, empathielosen und von Victim Blaming dominierten Befragungen werden Betroffene retraumatisiert. Wenn sie das überstehen und es im unwahrscheinlichsten Fall doch zu einer Anzeige kommt, steht es letztlich doch Aussage gegen Aussage. CN Ende
Gegen all dies vorzugehen ist so gut wie unmöglich. Bei Vorwürfen, egal welcher Art, greift der Korps Geist und fehlende externe Aufarbeitungs- und Kontrollstrukturen existieren nicht. Polizist*innen ermitteln gegen ihre Kolleg*innen mit - Überraschung - meist ausbleibendem Erfolg. Vielmehr werden Beweise manipuliert (z.B. NSU 2.0) oder vernichtet und Kolleg*innen gedeckt. Eine Anzeige wird meist mit Gegenanzeige beantwortet, was einer der Gründe ist, dass kaum ein Fall von Polizeigewalt angezeigt. Weniger als zwei Prozent der angezeigten Fälle landen vor Gericht und dort werden die Täter*innen meist freigesprochen, u.a. weil Kolleg*innen Falschaussagen machen und diesen eher geglaubt wird als anderen Zeug*innen.
Die Unantastbarkeit der Sicherheitsbehörden wird weiter ausgebaut. Egal ob es um die Verschärfung von §113 und §114 StGB ("Schubserparagraphen") geht oder die Erneuerungen der Polizeiaufgabengesetzte. Jedes dieser Gesetze schwächt die eigene Position gegenüber diesen, und macht ein Vorgehen gegen Fehlverhalten nahezu unmöglich. Bei den NSU-Morden waren es diese Behörden, die die Aufklärung behindert, Angehörige rassistisch kriminalisiert und belogen, Opfer zu Täter*innen stilisiert und Informationen zurückgehalten haben; Akten wurden geschreddert und für Jahrzehnte unter Verschluss gesetzt. Enthüllungen über antisemitische Chatgruppen, Racial Profiling, illegale Abfragen über Polizeicomputer, Durchstechen von Informationen an Neonazis, NSU 2.0 und so weiter. Trotz aller Skandale in Sicherheitsbehörden werden diese weiter protegiert und unangreifbarer gemacht. Exbundesinnenminister Horst Seehofer stoppte beispielsweise eine Studie über Rassismus innerhalb der Polizei - aus politischen Gründen.
Neben diesen Zuständen und Entwicklungen stehen die alltäglichen Repressionserfahrungen vieler Menschen. Die Knäste sind voll mit Leuten, die beispielsweise ohne Ticket gefahren sind, vor Gericht gezerrt wurden und die Strafe dafür, bzw. andere Geldstrafen nicht zahlen konnten und deshalb im Zuge einer "Ersatzfreiheitsstrafe" eingesperrt wurden. Wer die Miete nicht zahlen kann, dem droht die Zwangsräumung. Die Kriminalisierung von drogenkonsumierenden Menschen trifft die ganz besonders, die sich Strafen nicht leisten können, ebenso wie junge Menschen, deren Lebensperspektive verbaut wird. Es wird versucht, suchtkranke oder obdachlose Menschen zu vertreiben anstatt ihnen zu helfen. Genauso trifft es psychisch erkrankte Menschen, wie erst vor kurzem in Mannheim. Das vorherrschende und immer wieder reproduzierte Bild von Kriminalität ist gezeichnet von Rassismus: von der pauschalen Zurechnung zu kriminellen "Familienclans" oder den Vorurteilen gegenüber Sinti*zze und Rom*nja, dem Generalverdacht gegenüber Muslim*innen als Terrorist*innen bis zur täglichen Praxis des Racial Profiling. Diese institutionalisierten Diskriminierungen können tödlich enden, wie im von Law and Order-Politik dominierten Bürgerschaftswahlkampf 2001, bei dem der damalige Interimsinnensenator Olaf Scholz grünes Licht für den Einsatz von Brechmitteln gab, was den Tod des 19-jährigen Achidi John verursachte.
Repression betrifft uns alle und sie ist politisch, wie die Innenministerien und Behörden, die sie durchsetzten. Sie ist das Mittel zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen Zustände, unterdrückt jegliches Aufkeimen von Widerstand, egal ob im Kampf gegen Armut, Nazis oder für eine selbstbestimmte Fankultur.
Was sind unsere Forderungen?
Als emanzipatorische Linke streben wir eine Gesellschaft an, in der alle frei von Unterdrückung sind.
Wir fordern gleiche Chancen und ein gutes Leben für alle, jenseits der kapitalistischen Verwertungslogik.
Wir fordern ein Bleiberecht für alle, sowie die menschenwürdige Unterbringung aller geflüchteten Menschen.
Wir fordern ein schnelles, unbürokratisches Verfahren und sichere und legale Zugangswege nach Europa. Wir fordern eine zivile europäische Seenotrettung und ein Ende des billigend in Kauf genommenen Sterbens im Mittelmeer.
Die radikale Linke muss sich gemeinsam mit allen Betroffenen der Repression stellen und sich der Kriminalisierung widersetzen! Hierbei darf nicht vergessen werden, dass Polizeigewalt und Repression jede*n treffen können! Wir brauchen solidarische Lösungen und gegenseitige Hilfe.
Auch schätzen wir das staatliche Repressionsorgan Polizei im Kern - und v.a. Einheiten, wie das in faschistoiden Männlichkeitsfantasien gefangene USK - als nicht reformierbar ein!
Deshalb fordern wir die sofortige Auflösung des USKs.
Ebenfalls fordern wir die Auflösung des Verfassungsschutzes und die sofortige Einstellung dieses staatlich legitimierten und finanzierten Unterstützungsprogramms für faschistische Strukturen.
Wir fordern kurzfristig eine konsequente Entnazifizierung, unabhängige Kontrollorgane, ein Ende des u.a. durch die PAG-Verschärfungen geschaffenen Polizei- und Überwachungsstaats und eine Kennzeichnungspflicht für das staatliche Prügelkommando. Die NSU Akten müssen mit sofortiger Wirkung freigegeben werden! Wir fordern den Abbau von Polizeistrukturen und den Aufbau von emanzipatorischen Organisationsformen, um diese zu ersetzen!
Langfristig fordern wir die Auflösung aller sog. "Sicherheitsbehörden" und ein Umdenken hin zu abolitionistischen Praktiken. Eine Ablehnung von Straf- und Knastsystem und staatlicher Gewalt ist essenziell für eine emanzipatorische, radikale und linke Gesellschaftskritik auf dem Weg zu einer befreiten Gesellschaft.
Hiermit rufen wir dazu auf, sich an den Aktionen und Protesten gegen die Innenministerkonferenz zu beteiligen. Wir können und wollen dieses Treffen in unserer Stadt nicht haben. Kommt am 1. Juni um 18 Uhr zum Bahnhofsvorplatz in Würzburg. Von dort startet unsere Demonstration.
Lasst uns ihnen zeigen, was wir von ihnen halten! Keine Macht den Sicherheitsbehörden!
Um dem Ganzen ein einheitliches Bild zu geben, laden wir Gruppen und Einzelpersonen zudem dazu ein, sich bereits im Voraus mit Beiträgen oder Aktionen im Rahmen der Mitmachkampagne #KeineMachtDenSicherheitsbehörden zu beteiligen, um dem Thema IMK und v.a. der mit Sicherheitsbehörden einhergehenden Repression mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Nutzt gern unser Logo und unsere Designs, lasst eurer Kreativität freien Lauf und postet unter den Kampagnen-Hashtags. Markiert uns oder schickt uns die Links, damit wir eure Beiträge sammeln und teilen können. Wir sind vertreten auf Instagram, Twitter, Facebook und Mastodon unter @noIMKWue
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