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Samstag, 6. Juli 2019 - 16:00

Mahnwache gegen rechten Terror

Am 02.06.2019 wurde Walter Lübcke von dem Rechtsextremisten Stephan Ernst in seinem Zuhause erschossen. Das konkrete Motiv für diese Tat waren die 2015 getätigten Aussagen des Kasseler Regierungspräsidenten bei einer Bürgerversammlung. Lübcke betonte die ethische Pflicht Deutschlands im Kontext der sogenannten Flüchtlingskrise.

Dieser Mord dominierte die Schlagzeilen in den letzten Wochen zurecht. Er zeigt deutlich auf, wie weit Rechtsextreme zu gehen bereit sind. Diese schrecken offensichtlich nicht davor zurück, politischen Gegner*innen in ihrem eigenen Zuhause aufzulauern und sie dort auch zu töten. Vor allem wird vor dem Hintergrund dieses Mordes deutlich, dass es scheinbar jeden Menschen treffen kann, gerade auch Personen des öffentlichen Lebens wie Walter Lübcke. Es ist davon auszugehen, dass die Tat auch genau diesen Eindruck vermitteln sollte.

Umso trauriger erscheint daher der Umstand, dass es scheinbar erst des Mordes eines ranghohen Politikers bedarf, um eine solche Aufmerksamkeit zu generieren. Es bleibt an dieser Stelle nämlich auch festzuhalten, dass das Lübckes Schicksal leider lediglich einen neuerlichen Höhepunkt rechten Terrors darstellt. Denn in der aktuellen Diskussion fällt vollkommen die Tatsache unter den Tisch, dass rechter Terror den Alltag für all diejenigen darstellt, die sich mit Geflüchteten solidarisieren oder sich rechter Hetze entgegenstellen. Ganz zu schweigen von Menschen, die aufgrund bestimmter Eigenschaften nicht in ein faschistisches Weltbild passen. 197 Menschen haben Neonazis seit 1990 laut der Amadeu-Antonio-Stiftung auf dem Gebiet der Bundesrepublik getötet, die Dunkelziffer liegt deutlich höher. (Mediale) Aufmerksamkeit haben die wenigsten dieser Morde erhalten. Des Weiteren sind hier auch noch nicht all die anderen Formen rechten Terrors wie Drohbriefe, nächtliche Besuche oder anderweitige Überfälle und Übergriffe berücksichtigt. Dennoch wundern sich Menschen immer noch, warum sich auf Demos vermummt wird, wenn Nazi-Fotografen wieder versuchen, die Listen der Faschist*innen mit neuen Bildern zu erweitern.

In den Medien ist an dieser Stelle auch immer wieder zu lesen, wie durch den öffentlichen Diskurs die Grundlage für eine solche Tat gelegt wird: Erst kommt das Wort und dann die Tat. Eine Lehre, die bereits aus der Weimarer Republik bekannt ist. Daher muss auch der AfD und allen anderen Brandstiftern eine Mitschuld gegeben werden, wenn Neonazis morden. Vor diesem Hintergrund ist es befremdlich, gerade auch mit Blick auf die Art und Weise wie der politische Diskurs geführt wird, dass ein Großteil der Bevölkerung trotz der massiven Präsenz dieser Thematik nicht zu mehr fähig scheint, als dieses Ereignis kopfschüttelnd zur Kenntnis zu nehmen und sich verängstigt zu zeigen. Ein wirklicher Aufschrei bleibt allerdings aus. Alles in allen erinnert dieses Verhalten an die Situation nach dem Auffliegen des NSU. Brennende Autos scheinen also nach wie vor die Öffentlichkeit mehr zu bewegen als tote Menschen. Aber diese Erkenntnis ist auch angesichts der Art und Weise wie mit dem Sterben im Mittelmeer umgegangen wird leider nichts neues.

Ein weiterer Schwerpunkt stellte in vielen Berichterstattungen zu diesem Thema auch der Aspekt dar, wie schnell die Ermittler*innen dem Mörder auf die Spur kamen und wie zufrieden die Polizei damit ist, dass nach den Erfahrungen aus dem NSU-Komplex dieses Mal in alle Richtungen ermittelt wurde. Es erscheint fast makaber, dass es den NSU gebraucht hat, um Neonazis als mögliche Täter*innen in Erwägung zu ziehen. Auf der anderen Seite verwundert diese Situation auch nicht, wenn innerhalb der gleichen Behörde massive Probleme mit rechten Überzeugungen bestehen. Die Drohbriefe an die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz die von 5 Beamt*innen aus den Reihen der hessischen Polizei stammen und mit NSU 2.0 unterschrieben waren oder der Mord an Oury Jalloh in einer Gefängniszelle in Dessau sind nur zwei Beispiele. Von der Verwicklung einiger Staatsbehörden wie dem Verfassungsschutz in den NSU-Komplex ganz zu schweigen. Es bleibt also festzuhalten, dass wir uns in dieser Angelegenheit nicht auf diese Institutionen verlassen können. Anstatt ihrer Aufgabe nachzukommen und die Menschen vor solchen Taten zu schützen, sind sie selbst ein Teil des Problems. Im Gegenzug werden alle Geschütze aufgefahren, um antifaschistischen Widerstand zu zerschlagen und zu delegitimieren. Doch waren linke und antifaschistische Gruppen die einzigen, die auf die Bedeutung und die Hintergründe dieser Tat hingewiesen haben und auf die Straße gegangen sind. Mitglieder der CSU dagegen, wie Horst Seehofer, sind angesichts des Mordes eines Menschen aus ihren eigenen Reihen nicht mal in der Lage, dessen Namen bei öffentlichen Auftritten richtig auszusprechen. So waren es auch die Quellen antifaschistischer Gruppen, die einen zentralen Beitrag zur Aufdeckung des Umfeldes Stephan Ernsts beigetragen haben und regelmäßig von Medien verwendet wurden. Antifaschismus muss in dieser Hinsicht endlich eine angemessene Wertschätzung entgegengebracht werden, anstatt diesen ständig mit Rechtsextremismus gleichzusetzen.

Um zu verhindern, dass Walter Lübcke nicht das letzte Opfer war, bleibt uns keine andere Wahl, als selbst aktiv zu werden. Vor allem darf der Mord an Personen des öffentlichen Lebens nicht erst als Initialzündung zum Agieren dienen. Ein solches Verhalten wird all denjenigen nicht gerecht, die in völliger Unkenntnis der Öffentlichkeit Opfer rechter Übergriffe geworden sind und werden. Das gesamte Ausmaß rechter Gewalt darf nie übersehen werden. Deswegen ist es umso wichtiger auch dieser Menschen zu gedenken und den Faschisten umso entschlossener entgegenzutreten.

Kommt also am Samstag dem 06.07. um 16 Uhr zum Barbarossaplatz und zeigt mit uns allen Opfern rechter Gewalt, dass sie nicht vergessen werden!

Kein Vergeben! Kein Vergessen!