Mittwoch, 8. Mai 2019 - 16:00
Aufruf
Am 8. Mai 2019 jährt sich zum 74sten Mal die endgültige Kapitulation der Wehrmacht und damit die Befreiung vom Nationalsozialismus. Stellvertretend steht dieser Tag für die Befreiung aller in KZs Inhaftierten und Verfolgten des Naziregimes durch Soldat*innen der alliierten Militärs sowie durch Selbstbefreiung.
Ein Anlass zum Feiern!
Die deutsche Gedenkkultur hinterfragen, denn deutsche Täter*innen sind keine Opfer!
Laut Zeitungsberichten zu einer Studie der Bertelsmann Stiftung, veröffentlicht im Januar 2015, wollen 81 Prozent der deutschen Bevölkerung die Geschichte der Judenverfolgung hinter sich lassen. Gänzlich vergessen und einen Schlussstrich unter das Thema Holocaust ziehen wollen 58 Prozent, bei den unter 40-jährigen sogar 67 Prozent.
Björn Höcke von der AfD bezeichnet das Holocaustmahnmal als "Denkmal der Schande" im Herzen der Hauptstadt, fordert: "Wir brauchen nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180-Grad." und bekommt dafür neben Kritik auch nicht wenig Beifall.
Vor allem jüngere Generationen haben den Partypatriotismus für sich entdeckt und plädieren wieder vermehrt für Heimatverbundenheit und Nationalstolz. So mancher fühlt sich bedroht durch Schutz suchende Menschen. Rassistische und faschistische Gedanken werden wieder offener geäußert. Die Kommentarspalten der Nachrichtenportale sind voll davon.
Parallel zu dieser Entwicklung erstarken rechte Parteien in Europa, die mit Sündenbockrhetorik, Leistungszwang, Fremdenfeindlichkeit und Feindschaft gegen veränderte Formen von Familien- und Beziehungskonzepten auftreten.
Islamfeindliche Pegida-Aufmärsche, bei denen sich Mitglieder von "NPD", "Dritter Weg", "Die Rechte" "Identitäre Bewegung" und andere aktive Neonazis als besorgte Bürger*innen verkaufen wollen, bilden zusammen mit zahlreichen frustrierten und von der parlamentarischen Politik enttäuschten Menschen einen braunen Sumpf, in den immer mehr Bürger*innen eintauchen.
Die AfD bietet sich als neue parlamentarische Stimme dieser Menschen an und propagiert einen Politikwechsel hin zu einem nationaleren, sich abschottenden, autoritären Staat. Damit feiert sie Erfolge und ist mittlerweile in mehreren Landesparlamenten vertreten.
In Reden, auf Plakaten und in Sprechchören taucht außerdem immer wieder der Begriff der "Lügenpresse" auf. Bereits die NSDAP nutzte gerne diesen Begriff um Medien- und Meinungsvielfalt zu diffamieren. Auch sieht man auf diesen Demos immer wieder ganz eindeutig zu identifizierende Nazisymbole. Doch wo kein Interesse mehr besteht, sich mit dem Nationalsozialismus in Deutschland (und Europa) auseinanderzusetzen, verwundert es nicht, dass Vielen tatsächlich zu entgehen scheint, unter welchen Zeichen, zwischen welchen Symbolen und mit welchen Kräften sie kooperieren und demonstrieren und was daraus entstehen kann.
Sie liefern dabei den Hintergrund und die gefühlte Legitimation für die weiterhin steigende Anzahl von Angriffen auf Moscheen, Synagogen, Asylbewerber*innen und deren Unterkünfte.
Doch auch die sonstige Politik bekleckert sich nicht mit Ruhm. Aus Angst, Stimmen an die Rechten zu verlieren, wird von den Regierungsparteien SPD und CDU/CSU beispielsweise das Asylrecht immer weiter verschärft, Menschen werden in Kriegsgebiete abgeschoben und weiterhin sterben Tausende im Mittelmeer. Der Diskurs wird weiter nach rechts verschoben.
Selbst vermeintlich linke Politiker*innen setzen auf die nationale Karte.
Bamberger Gedenkkultur angreifen!
Einer mangelnden kritischen Auseinandersetzung ist wahrscheinlich auch geschuldet, dass vor allem Stauffenberg immer wieder als wichtigstes Symbol des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus gefeiert wird. Auch und gerade in Bamberg findet diese Verehrung statt, wo in zahlreichen Ausstellungen und auf Gedenktafeln Stauffenberg verklärt und als Held gefeiert wird. Erst vor kurzem wurde ein Widerstandsdenkmal nahe des Theaters aufgestellt, welches, neben Willy Aron (Sozialist) und Hans Wölfel (Kirche), auch eine Büste Stauffenbergs beinhaltet
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Dabei hat Stauffenberg als antidemokratischer Nationalist das Naziregime unterstützt, bis sich die militärische Niederlage abzeichnete, und die ursprünglichen Ziele, wie die Revision von Versailles und die Abschaffung des Mehrparteiensystems, die (Rück-) Eroberung "deutschen Lebensraumes im Osten" und der Vormachtstellung eines deutschen Reiches in der Welt, somit nicht mehr zu erreichen waren. Heute wäre er wohl selbst Teilen der AfD noch zu rechts. Seine Motive, sich gegen Hitler zu stellen sind also durchaus kritischer zu betrachten, als das gemeinhin getan wird. Antifaschistisch waren diese jedenfalls nicht.
Wie ein Schlag ins Gesicht für jüdische Opfer muss es wohl auch sein, wenn, wie hier in Bamberg, direkt neben der Gedenktafel für die durch Nazis ermordeten Opfer, zusätzlich "in unauslöschlicher Dankbarkeit" den gefallenen Wehrmachtssoldaten gedacht wird und es die Stadt nicht einmal für nötig hält, ein Schild zur historischen Einordnung anzubringen, geschweige denn diese von solch prominenter Stelle zu entfernen und beispielsweise in ein Museum zu stellen oder ganz zu entsorgen. Bei der Gedenkfeier der Stadt zum 8. Mai wird als Krönung der Widerwärtigkeit an beiden Gedenktafeln gleichzeitig ein Kranz niedergelegt.
Wir können also nicht die Beine hochlegen und sagen, dass der Faschismus endgültig besiegt ist und dennoch feiern wir am 8. Mai den Tag des "Sieges über den Faschismus". Am 8. Mai 1945 kapitulierte Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg. Eine Leidenszeit für viele Verfolgte der Faschist*innen endete. Die Deutschen wollten den "totalen Krieg" und bekamen ihn. Ihre nationalistischen und chauvinistischen Anschauungen trieben das ganze Land in einen faschistischen Rausch. Bis zum letzten Kriegstag kämpften Faschist*innen gegen die Alliierten. Der 8. Mai war historisch gesehen ein Glückstag. Deutschland lag in Schutt und Asche und hatte die Quittung bekommen für zwölf Jahre Faschismus. Nach dem Krieg begannen direkt die Bestrebungen der Deutschen, sich als Opfer des Krieges darzustellen. Bis heute gilt es solchen Tendenzen entschieden entgegenzutreten!
Eine andere Gedenkkultur ist nötig und möglich!
Deshalb feiern wir am 8. Mai die Befreiung, und gedenken und danken den alliierten Soldat*innen, den Partisan*innen und all jenen, die in den Bergen Italiens und Griechenlands, in den Wäldern Polens und Weißrusslands, in Frankreich und den Ghettos in Osteuropa, aber auch allen anderen Orten auf der Welt tapfer und verzweifelt Widerstand leisteten. Wir tragen auch den Protest gegen Nationalismus, Patriotismus, Antisemitismus, Rassismus und andere menschenverachtende Einstellungen auf die Straße! Wir stellen uns gegen jede Schlussstrichmentalität, Relativierung und Verharmlosung der Shoa, so wie aller NS-Verbrechen!
Wir sind nicht der Meinung, dass dieser Tag ein Tag des stillen Gedenkens und erst recht nicht der Trauer um den verlorenen Krieg sein sollte, deshalb:
Am 8. Mai den Sieg über den Nationalsozialismus und damit die Befreiung feiern!
Kommt zur Feierdemo!
8. Mai, 18 Uhr, Bahnhofsvorplatz Bamberg